Hamburg Osdorfer Born Foto: Gerhard kemme CC0

Zeitlose Bausünden

Sie verschandeln die Städte: Bausünden der Nachkriegszeit. Kantige, klotzige Wohn- und Bürokästen der renditeorientierten Moderne. Wo einst Gründerzeit-Architektur und gewachsene Viertel die Stadt prägten, stehen sie nun in die Jahre gekommen. So schnell veraltet wie einst gebaut, müssen sie Neuem weichen. Renditeorientierte Schrottbauten, die mit renditeorientierten Schrottbauten ersetzt werden. Gegen diese kostenbewusste Verschandelung der einst prunkvollen, individuellen Innenstädte mit dem Abrissbagger scheinen die Stadtregierungen nicht viel ausrichten zu können. Dort wo mickrige Renditen auf Wohnraummangel zusammenkommen, ist die Erhaltung historischer Bausubstanz und ästhetisches Bauen ein Luxus, den sich die Politik nicht leisten kann und Investoren nicht leisten wollen. Wenn Mieter die Wahl zwischen Pest und Cholera haben, lässt sich auch der hässliche, renditeoptimierte Klotz vermieten.

Schlimmer geht immer

Nicht nur, dass Grundstücke einen immer größeren Anteil an den Kosten betragen. Auch das serielle Bauen wird zum Maß aller Dinge. Irgendwo muss ja gespart werden. Die sozialen Bausünden der Vergangenheit wie Plattenbauten werden abgerissen und mit neuen Bausünden wie Containerbauten ersetzt, natürlich wieder staatlich subventioniert. Die Politik klopft sich gegenseitig auf die Schulter und brüstet sich mit den vielen Neubauten, die „sie geschaffen“ hat. Die Investoren schielen auf die Abschreibung sowie den Abriss in 50 Jahren und freuen sich, dass der geförderte Anteil als menschliche Schallschutzwand dient. Die Makler nennen das natürlich wieder die neue Moderne, „zeitlos elegant“ oder Garden-Palais. Alle sind zufrieden, bis auf die Menschen, die dort tatsächlich wohnen und arbeiten müssen.

Massenmenschhaltung

Es führt zur grauen Existenz in einer Welt mit grauen Fassaden ohne Sinn für spielerische Extravaganz und Gefühl. Massenmenschhaltung mit der sich jeder der Bewohner arrangiert, statt Missstände anzuprangern. Das Dach über dem Kopf als Geldverwertungsmaßnahme statt Lebensraum. Eine Welt des Funktionierens in der alles einen Preis hat, aber nichts mehr einen Wert. Eine Welt, die außerhalb der Prenzlauer Bergs, Eppendorfs und Schwabings der Republik existiert. Gerade hier sollte sich jeder Kommunalpolitiker die Frage stellen, ob er nicht mehr tun kann um Lebensräume für Alle zu schaffen.

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